Anfang August machten sich 10 junge Menschen vom evangelischen Jugendwerk Bezirk Öhringen auf den Weg in die Slowakei. Wir
veranstalten seit ein paar Jahren internationale Jugendbegegnungen und sind dieses Jahr bei unseren Freunden in der
Slowakei zu Gast. Das Motto des diesjährigen Camps lautet "Grenzen überwinden", weshalb der Ort in der Slowakei am
Dreiländereck zu Österreich und Ungarn ideal ist. Am Grenzpunkt kann man heute mit ein paar Schritten drei Länder betreten,
in vollkommender Freiheit und Autonomie – was für ein Geschenk.
Nach einem Zwischenstopp in Wien erreichen wir das Camp in Cunovo, einem Wassersportzentrum, idyllisch gelegen direkt an
der Donau. Dort treffen sich junge Europäer zum internationalen Camp des Jugendwerks, um eine Woche lang über
Grenzerfahrungen nachzudenken, neue Impulse zu bekommen, andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen und neue Erfahrungen
zu machen. Eine Gruppe aus Polen, aus Belarus, aus der Slowakei, Tunesien, aus Deutschland und Italien begibt sich auf die
Spuren der slowakisch-ungarisch-österreichischen Geschichte. Mit einer Fahrt nach Sopron und dem Besuch der Stätte des
paneuropäischen Picknicks können sie den Start von Europa nachvollziehen und die einengenden und von Verzicht, Unfreiheit
und Entbehrung geprägte Zeit des Eisernen Vorhangs nachempfinden. Die Trennung von Ost und West, die Grenzkontrollen, die
vielen Menschen, die darunter gelitten haben, teilweise ihr Leben oder ihre Familie verloren haben und sich nicht frei
bewegen konnten, spürten damals am eigenen Leib was es heißt ausgeliefert zu sein, begrenzt und dominiert zu werden.
Heute können wir uns frei bewegen, reisen und innerhalb Europas verschiedene Länder kennenlernen ohne Begrenzungen und
größere Kontrollen. Das ist nicht selbstverständlich, wurde vor einigen Jahrzehnten hart erkämpft und ist der
Menschlichkeit und dem menschenfreundlichen Herz der damals Beteiligten (Politik, Grenzbeamte usw.) zu verdanken.
Auch heute ist es sehr wichtig, dass dieser Geist der Menschlichkeit sich wieder mehr verbreitet und die verschiedenen
Nationen zusammen etwas bewegen und weiter für die Menschlichkeit, Demokratie und Freiheit aktiv sind.
Gemeinsam im Camp findet angeregter Austausch in den verschiedenen Sprachen statt. Man lernt die Menschen, die
Lebensverhältnisse, die Einstellungen, Wünsche und Träume der anderen kennen und begibt sich mitten in das Abenteuer Europa,
das voller Vielfalt, Kreativität, Improvisation und neuer Erfahrungen das eigene Leben bereichert. Über die Jahre hinweg
entstehen gute Bekanntschaften, mitunter auch Freundschaften, der eigene Horizont erweitert sich und die nationalen Grenzen
treten in den Hintergrund. Eine Woche gemeinsam im Camp bringt Menschen zusammen, gemeinsame Erfahrungen, wie zum Beispiel
das nächtliche Unwetter, prägen sich ein und machen die Zeit zu einem unvergesslichen europäischen Gemeinschaftserlebnis.
Die Fahrt nach Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei vermittelt einen Eindruck des Wandels und des Aufbruchs. Alte
kommunistisch anmutende Häuserblocks stehen neben neuen Bürogebäuden und Baustellen großer neuer moderner Hochhäuser, die
aus dem Boden spriesen wir Pilze. In der Innenstadt sind viele historische Denkmäler zu sehen und die Straßen sind
bevölkert und einladend für Menschen jeglicher Nation. Irish Pubs stehen neben georgischen Restaurants, slowakischen
Cafes und österreichischen Konditoreien. Ein friedliches Beisammensein.
Im Camp gibt es viele Möglichkeiten des Austausches und der Begegnung mit anderen jungen Europäern, die auch reichlich
genutzt werden. Ein Mix aus deutscher, slowakischer, ungarischer, polnischer und russischer Sprache dient der Verständigung.
Egal ob am abendlichen Lagerfeuer, beim gemeinsamen Küchen- oder Spüldienst oder bei gemeinsamen Wassersportaktivitäten,
lernt man sich kennen und beginnt sich die europäische Campatmosphäre auszubreiten.
In diesem Jahr war als Teilnehmer zum Beispiel ein 17 jähriger Junge aus der Slowakei dabei, der erzählte, dass seine
Eltern nicht die Möglichkeiten hatten zur Schule zu gehen und dass er sehr froh ist, Teil dieser Jugendbegegnung sein zu
können. Sich Auszutauschen mit anderen jungen Europäern, den eigenen Horizont erweitern und sich selbst weiterzuentwickeln
war für ihn sehr wichtig.
Eine weitere Teilnehmerin kam aus Belarus, sie hat uns erzählt, dass sie nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin noch
Psychologie studieren möchte, um sich selbst besser kennenzulernen und mit und für andere Menschen zu arbeiten. Es war für
sie das erste Mal, dass sie in Europa war, dass sie Kontakt hatte mit vielen anderen Europäern und dass sie vor einer
größeren Gruppe Menschen über ihre Wünsche und Pläne gesprochen hat. Sie war sehr aufgeregt und auch etwas ängstlich, aber
hat uns alle ermutigt, den eigenen Weg zu gehen, auf die innere Stimme zu hören und dabei selbst eine mutige
Grenzüberwindung erlebt.
Zudem war auch noch eine Frau aus Tunesien dabei. Sie lebt auf der Ferieninsel Djerba und ist Deutschlehrerin an einer
dortigen Schule. Der Kontakt zu ihr entstand bei einem internationalen Austausch der "Peace Academy" in Dresden, wo sie
über das friedliche Zusammenleben verschiedener Religionen in Tunesien berichtet hatte. Sie selbst ist Muslima und
interessiert an religiösen Themen, aber vor allem am persönlichen Kontakt mit jungen, wachen Menschen aus verschiedenen
Ländern und Kulturen.
Ein weiterer Teilnehmer kam vor einiger Zeit als Flüchtling aus Eritrea nach Deutschland. Mittlerweile macht er eine
Ausbildung, spricht schon sehr gut deutsch und berichtet auch von seinen Erfahrungen in einem afrikanischen, von Krieg
gebeutelten Land und seiner Kultur.
Nach 6 Tagen des Zusammenseins fällt auch der Abschied schon schwer, der erste Bus fährt sodann ohne uns ab, da noch
Umarmungen und gute Zukunftswünsche ausgetauscht werden. Der häufigste Gruß lautet "see you soon" – "auf bald" und auf ein
Wiedersehen im nächsten Jahr beim internationalen Camp 2020. (Doro Färber)
Fotos: Frank Lutz